| Roland H. Dippel
Rezension - Festkonzert der griechischen Botschaft mit der Sächsischen Bläserphilharmonie
Erschienen im Februar 2022 im Magazin "Das Orchester"
VORBILD FÜR EUROPA
GREECE 2021 mit der Sächsischen Bläserphilharmonie
Im sonst so traditionsbewussten Gewandhaus hatte man es neben den Schwerpunkt für Sofia Gabaidulina und Arthur Nikisch offenbar vergessen: Einer der wichtigsten Unterstützer der griechischen Erhebung von 1821 war der Leipziger Philosophieprofessor Wilhelm Traugott Krug.
Mit seinem Appel „Griechenlands Wiedergeburt“ rief er 1821 zur Unterstützung des griechischen Kampfes gegen die Türken auf. Die Griechen-Mode hatte Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy mit seiner Schauspielmusik zu Sophokles‘ Tragödie Antigone propagiert; der Wahl-Leipziger Albert Lortzing in seiner Oper Der Wildschütz dagegen schmunzelnd vom Podest geholt.
Dafür feierte man in der Deutschen Bläserakademie Bad Lausick dank sehr guter Planungsantennen der Orchestermanagerin Barbara Venetikidou am 6. November künstlerisch und kulinarisch. Venetikidou holte für „GREECE 2021. Das Festkonzert der Botschaft der Hellenischen Republik zum 200-jährigen Jubiläum des griechischen Freiheitskampfes“ viele Repräsentanten der griechischen Community nach Bad Lausick. Grußworte sprachen Maria Marinaki, Botschafterin Griechenlands in Deutschland, und Wolfram Günther, stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Ans Dirigierpult trat Konstantia Gourzi und brachte ihre von der Schwarz Foundation für diesen Festanlass geförderte Komposition Transformation 21 zur Uraufführung. Gourzis Klangfarben-Erkundungen und deren Titel zeigen, wie bewusst sie die pazifistischen Anliegen Dmitri Schostakowitschs aufgriff. Der vierte und fünfte Satz aus dessen neunter Sinfonie waren die offiziellen Schlusspunkte des Programms.
Mit einer Vorliebe für gedämpfte Spieltechniken stellte Gourzi die davor erklungenen heroischen bis militärischen Fanfarenfarben in dicke Fragezeichen. Eine Entdeckung für die nicht-griechischen Gäste wurden vier griechische Tänze des Schönberg-Schülers Nikos Skalkottas (1904-1949) im Arrangement von Vikentios Gionanidis, Tubist im Orchester der Deutschen Oper Berlin. Der martialische Morgenruf aus Richard Wagners Lohengrin zeigte die eindeutig militaristische Implikation von Wagners romantischer Oper, welche später von mehreren politischen Systemen zur Propaganda genutzt wurde.
Zugaben akzentuierten danach die versöhnende Kraft von Musik. Mikis Theodorakis‘ Sirtaki aus Alexis Sorbas beschäftigte, wofür die Sächsische Bläserphilharmonie steht: gleißende Farben im lupenreinen Piano, Überraschungen durch hochmusikalische Akzentverschiebungen im Haupt- und Nebenstimmen sowie Lust auf unbekannte Stücke bekannter Komponisten. Als solches erklang die Hellenen-Polka op. 203 von Johann Strauß Sohn. Diese entstand für einen Griechen-Ball im Wiener Palais des Finanzmagnaten Simon Georg Sina während des Karnevals 1858. Solche Veranstaltungen gerieten erst lange nach Gründung des neugriechischen Staates Ende des 19. Jahrhunderts langsam außer Mode. Das freie Griechenland war für die europäische Nationalstaaten-Bewegung des 19. Jahrhunderts längst zum utopischen Vorbild geworden.