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Vom RBO zur SBP

Die Geschichte der Sächsischen Bläserphilharmonie

Mit über 60 Jahren Bestehen kann das Ensemble auf eine bewegte Geschichte zurückblicken.

Aus dem Leipziger Funkhaus wurden schon seit 1948 Live-Unterhaltungskonzerte übertragen, in denen auch eine größere Bläserbesetzung aus freischaffenden Musikern mitwirkte. Hans Rüsing dirigierte und schrieb auch zusammen mit dem Musikredakteur Georg Girke die Bearbeitungen. Man spielte Märsche, Polkas, auch kleine Konzertstücke. Nach kurzen Verständigungsproben gab es wöchentlich eine halbstündige Originalsendung. Die Resonanz war überwältigend, die Nachfrage stieg. Bald entschloss sich der Sender zur Gründung eines Blasorchesters mit festangestellten Musikern.

Im Juni 1950 trat das Rundfunk-Blasorchester Leipzig an die Öffentlichkeit. Als erster Chefdirigent wurde Werner Krumbein verpflichtet, der in den acht Jahren seiner Leitung entscheidend das Profil dieses Klangkörpers prägte. Ihm folgten Gerhard Baumann, Otto Kayser, Edgar Brandt, Klaus Wiese und namhafte Gastdirigenten, u. a. Hans Schadenbauer, Kurt Brogli, Motti Miron, Antal Farkas, MiloÅ¡ Machek, Günter Joseck und Hans-Hendrik Wehding.

Der niederländische Komponist Henk van Lijnschooten, der 1988-90 mehrfach mit den Leipzigern produzierte, sagte einem Journalisten: "Es ist gewiß kein Spaziergang für sie [die Musiker] gewesen, handelte es sich doch um die Aufnahmen von mir komponierter Stücke, in denen ich in beträchtlichem Maße eine Mischung von Stilelementen der klassischen und der modernen Musik verwendet habe. Hier beweist das Orchester sein Vermögen zu differenziertem Spiel. Außerdem beeindruckt mich der ausgewogene Klang der einzelnen Instrumentengruppen. Das kraftvolle Fortissimo besticht ebenso wie das zarte Piano. Die rhythmische Akkuratesse und Intonationssicherheit sowie die Musizierfreude der Ensemblemitglieder wiederum hat mich auf besondere Art inspiriert, meines Erachtens interessante musikalische Details noch mehr aufleuchten zu lassen. Ein Geben und Nehmen also - wie man es sich als Dirigent vorstellt." (Sächsisches Tageblatt vom 27.04.1989).

Das RBO hatte feste Sendeplätze in Rundfunk und Fernsehen. Als Gastorchester war es auf den Bühnen dieser Welt gefragt. Konzertreisen führten es u.a. in die damalige Sowjetunion, nach Finnland und Japan. Ein gravierender Einschnitt in der Orchestergeschichte folgte nach der "Wende": Im Zuge des wieder erstehenden Mitteldeutschen Rundfunks kam es zur Auflösung mehrerer funkeigener Klangkörper. Auch den Musikern des RBO wurde - trotz öffentlicher Proteste und Solidaritätsbeweise, wie beispielsweise von Kurt Masur und Gunther Emmerlich bei einem Protestkonzert auf dem Leipziger Augustusplatz - die Kündigung ausgesprochen. Am 6. Dezember 1991 dirigierte Gerhard Baumann die letzte Rundfunkproduktion des RBO. Ein Teil engagierter Musiker kämpfte unter persönlichen Opfern um den Erhalt dieses populären Orchesters.

Eine schwierige Zeit begann, aber es ging weiter! Das Notenarchiv mit über 27.000 Originalpartituren, also alles Spezialarrangements, wurde per Leihvertrag vom MDR übernommen. Nur so konnte das Orchester sein angestrebtes transparentes Klangbild verwirklichen.

Durch das 1995 in Kraft getretene sächsische Kulturraumgesetz gefördert, konnten neue Trägerstrukturen gefunden werden, denen verschiedene Betriebsformen folgten. Dies gab zwar soziale Sicherheit, ermöglichte aber nur bedingt die notwendige zielorientierte künstlerische Entwicklung. Mit der Trennung vom Rundfunk entfiel nicht nur die ständige Produktionstätigkeit, auch für die Konzert- und Veranstaltungsbespielung musste eine neue inhaltliche Profilierung gefunden werden.

Jochen Wehner, nach Harald Weigel seit 1994 Chefdirigent, trat hier prägend hervor. Mehr und mehr widmete sich das Orchester der sinfonischen Bläsermusik und verschiedenen Kammermusikbesetzungen. In diese Zeit fiel auch die Gründung der orchestereigenen musikpädagogischen Einrichtung, der Bläserakademie Sachsen, in der sich die Musiker intensiv der Förderung von Jugendlichen widmen. Die Angebote dieser Akademie, die seit 2011 unter dem neuen Namen Deutsche Bläserakademie arbeitet, werden mittlerweile von Laien- und Berufsmusikern aus ganz Europa in Anspruch genommen.

Ein immer wieder Diskussionen auslösendes Thema sind Transkriptionen "klassischer" Kompositionen. Werktreue ist im Orchester oberstes Gebot. Ein zunächst umstrittenes Vorhaben war 1996 der Auftrag an den Berliner Komponist und Arrangeure Siegmund Goldhammer, für das Blasorchester Mozarts komplette "Zauberflöte" zu instrumentieren. Das Ergebnis überzeugte: Mehrere Aufführungen mit namhaften Gesangssolisten und eine CD-Produktion belegen einerseits die beispielgebende Übertragung der Mozart-Partitur für das Bläserensemble, andererseits die hervorragende, bis ins Detail differenzierte, werkgerechte Interpretation.

Jochen Wehner, von der E-Musik kommend und über große Repertoirekenntnisse verfügend, nutzte alle Facetten der Klangmöglichkeiten seiner Bläser. Im März 2000 legte Jochen Wehner das Amt des Chedirigenten des RBO mit dem Erreichen des Rentenalters nieder. Bereits ein Jahr später erlangte das Orchester seine lang ersehnte Eigenständigkeit zurück. Weiterhin gefördert durch das sächsische Kulturraumgesetz konnte man sich von nun an ganz der Umsetzung der eigenen künstlerischen Ziele widmen. Mit dem Niederländer Jan Cober wurde ein neuer künstlerischer Leiter gefunden, der, aus einer anderen Tradition kommend, wesentlich unbefangener mit dem Thema Bläsermusik umging. Werke von Igor Strawinsky, Dmitri Schostakowitsch, Hans Werner Henze und anderen Komponisten, die eher der E-Musik zugeschrieben werden, hielten vermehrt Einzug in die Konzertgestaltung des Klangkörpers. Durch die intensive Arbeit an einem sinfonischen Bläserklang setzte er den Weg seines Vorgängers fort. Klassische Bläserkammermusik gehört für den international tätigen Dirigenten ebenso zum Repertoire eines Bläserensembles, wie zeitgenössische Originalkompositionen.

In dieser Zeit wurde das Orchester zunehmend von internationalen Verlagen und Plattenlables entdeckt, die bis heute besonders die höchst effektive Arbeit bei der Aufnahme von Tonträgern schätzen. Das Orchester hatte seine hohen Qualitätsansprüche aus 40 Jahren Rundfunkarbeit mit über 20.000 Produktionen nie abgelegt. Auch die Reisetätigkeit nahm zu. Neben vielen Konzerten in Deutschland gastierte das RBO nun wieder vermehrt in den Beneluxländern, in Österreich und der Schweiz. Eine mehrwöchige Konzertreise durch China mit Konzerten unter anderem in Shanghai und in der Verbotenen Stadt in Peking im Jahr 2009 war dabei ein Höhepunkt aber auch gleichzeitig das Ende der Zeit mit Jan Cober als Chefdirigent.
Im selben Jahr konnte das RBO Thomas Clamor für diese nun vakant gewordene Position gewinnen. Obwohl er erst im Januar 2011 sein Amt als Chefdirigent antrat, fand bereits im Jahr zuvor eine intensive Zusammenarbeit mit dem Orchester statt. Dabei profitierten die Musiker besonders von den reichhaltigen künstlerischen Erfahrungen, die er in über 20 Jahren als Trompeter bei den Berliner Philharmonikern sammeln konnte.

Ein weiteres großes Ereignis war die Übergabe des neuen Proben- und Akademiesitzes im sächsischen Kurort Bad Lausick an das Orchester im Mai 2011. Nach fast zwei Jahrzehnten ohne festen Sitz fand das Ensemble hier wieder eine Heimat. Zu seinem 60. Jubiläum hat sich das Orchester entschlossen, seine bedeutende Position in der internationalen Orchesterlandschaft mit dem neuen Orchesternamen Sächsische Bläserphilharmonie hervorzuheben. Dieser Name ist Synonym für die stetige Weiterentwicklung einer sinfonischen Bläserkultur mit hohem ästhetischem Anspruch. Damit führt der Klangkörper seine Tradition fort, durch sein großes künstlerisches Potential auch zukünftig in der sinfonischen Bläsermusik höchste Maßstäbe zu setzen.

Seit Januar 2021 ist Peter Sommerer der Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Sächsischen Bläserphilharmonie und der Deutschen Bläserakademie.